Genuss mit Verantwortung: Chocolatier und Landwirt Josef Zotter über Schokoladenqualität und kreatives Schokotheater.

von Andrea Knura 07/01/2019
Warengruppen
Nachhaltigkeit
Genuss mit Verantwortung: Chocolatier und Landwirt Josef Zotter über Schokoladenqualität und kreatives Schokotheater.

Zartschmelzend zergeht sie auf der Zunge, setzt Endorphine frei, Stück für Stück reines Glück. Schokolade ist für viele der Inbegriff von Genuss. Was bedeutet Schokoladengenuss für Sie?

Schokolade ist natürlich der pure Genuss, es muss aber die Basis stimmen. Zum Genießen braucht es für mich in erster Linie ein reines Gewissen. Genuss fängt immer in der Landwirtschaft an. Lebensmittel haben einen Ursprung, sie haben Wurzeln, wachsen, werden von Menschen geerntet. Bei Schokolade fängt der Genuss also bei den Kakaobauern an. Die Zusammenarbeit mit ihnen ist essentiell. Nur eine partnerschaftliche Zusammenarbeit kann Genuss bringen. Sie müssen wissen für wen sie produzieren, so entsteht gegenseitiges Vertrauen. Genuss kann keine Einbahnstraße sein. Der Nachgeschmack von Schokolade kann sehr bitter sein, wenn man bedenkt, dass Kakaobauern unter härtesten Bedingungen arbeiten, während andere von den Früchten ihrer Arbeit profitieren. Die Produktion zu 100% Bean-to-Bar ist ebenfalls entscheidend: von der Kakaobohne weg bis zur fertigen Tafel hat man die Qualität der Schokolade selbst in der Hand. Fairer Handel ist für mich entscheidend für Genuss. Massenbilanzierung ist der falsche Weg.

Muss gute Schokolade handgeschöpft sein?

Nein. Gute Schokolade ist, wie bereits besprochen, ehrlich. Ob sie dann handgeschöpft wird, oder effizienter maschinell verarbeitet, hat nichts mit Qualität zu tun sondern mit Wirtschaftlichkeit. Früher waren Zotter Schokoladen rund fünf mal so teuer wie andere Marken, da alles händisch gemacht wurde. Heute hat sich der Preis dem allgemeinen Marktpreis angenähert. Bei mir wird es immer auch die handgeschöpften Schokoladen geben. Gegen einen Schokoladenroboter, der z. B. Pralinen macht, ist aber gar nichts einzuwenden.

Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten. Wie ist das mit Ihren Schokoladenkreationen. Müssen Sie manchmal um eine Sorte kämpfen?

Geschmack ist individuell. Kakao an sich ist bitter und kann daher hervorragend mit anderen Geschmacksrichtungen kombiniert werden. Das heißt aber nicht, dass jede Schokolade auch den allgemeinen Gusto trifft und sich verkaufen lässt. Geschmack verändert sich auch von Saison zu Saison. Letztes Jahr war beispielsweise die Brennholz-Brenner-Schokolade mit getoastetem Holzbrand, hergestellt nach Barrique-Art mein Favorit. Wenn man von der Schokoladenmanufaktur in den Essbaren Tiergarten spaziert, passiert man einen Friedhof. Hier haben wir einige unserer Schokoladenkreationen und andere Ideen zu Grabe getragen, die leider nicht angenommen wurden. Manchmal kämpft man für eine Geschmacksrichtung um später feststellen zu müssen, dass die Idee nicht ausgereift war. Das ist uns z. B. mit einer Zwiebel-Weinfüllung passiert. Nach einigen Reklamationen musste ich die Schokolade nochmals verkosten und feststellen, dass sie ganz furchtbar schmeckt, da der Zwiebel den Geschmack mit der Zeit verändert hat. Oder Schokolade mit Fischgeschmack. Für uns ist das undenkbar. Die Chinesen, die noch keine Erfahrung mit Schokolade haben, glauben, das ist eine normale Kreation und finden sie super. Da sieht man die Schranken, die der Mensch im Kopf hat.

 

Gibt es diese Schranken auch bei Ihnen?

Ja und Nein. Wenn man sich unsere manchmal irrwitzigen Schokoladen Geschmacksrichtungen genauer ansieht, dann könnte man tatsächlich meinen, wir haben sie nicht mehr alle: Apfel-Karotten mit Ingwer, Caipirinha, Hanf und Mocca und so weiter. Aber es ist ein Konterpunkt zum ewig Gleichen. Genau aus dem Grund mache ich meine wohl auf den ersten Blick komischen Schokoladen. Weil wir alle Individuen sind. Und nicht immer alles gleich, gleich, gleich sein muss. Wenn man immer das gleicht genießt, ist es irgendwann kein Genuss mehr.